01/13/06

Museumskeller | Erfurt | Erfurter Liedermacherfestival

 

 

Im Zug da lernt man Leute kennen. Unser erstes Highlight war Danny, der Italo-Amerikaner. Er vereinte alle Italiener-Klischees. Klein, große Klappe, Macho aber sympathisch. Danny über Angela Merkel: „Woman no good for politics, only for kitchen.” Wir distanzieren uns von dieser Aussage und machten Danny auch deutlich, dass wir anderer Ansicht seien.

Zeitsprung: Wir sind in Erfurt und finden den Museumskeller auf Anhieb. (Hey!) Ein freudiges Wiedersehen mit mittlerweile schon alten Bekannten (Mike und Totte) und Kennenlernen von neuen Bekannten, deren Namen wir sogar ohne Kennenlernspiel sofort auf unserer Festplatte abspeicherten. (Hey!)

Anschließend kam noch der absolute Abschuss, gemeinsam mit Totte nahmen wir noch Vodka zur Brust („Hat der Totte wieder mal den Vodka nicht vertragen?“ (Der Flotte Totte in ‚Türen’)), bevor wir dann sicher geleitet von Mike Godyla (und zumindest Lennart hatte Geleitschutz dringend nötig) mit nem Taxi in unsere Pension pendelten. Die Pension war für uns fast schon so eine Art WG. Es gab mehrere Zimmer in denen verschiedenste Liedermacher untergebracht waren und wir hatten eine gemeinsame Küchenecke, in der wir sutsche abhängen konnten. Darüber hinaus gab es auch noch eine chillige Sofaecke. So gut sind wir noch nie untergebracht worden. (Um ehrlich zu sein, vorher sind wir sowieso noch nie irgendwo so richtig untergebracht worden.) Irgendwann zur frühen Mittagszeit gab’s dann ein lecker WG-Frühstück in unserer Küche, gemeinsam mit Andreas Wagner, Meike Schrader und Johanna Zeul. Einige der Mitbewohner waren schon wieder abgereist, weil sie anderen Verpflichtungen nachgehen mussten. Es sind halt nicht alle so faul wie wir und blieben gleich das ganze Wochenende in Erfurt.

Mit den dreien haben wir dann den Tag genutzt um uns kulturell zu betätigen und ein bisschen was von Erfurt zu erleben. Erfurt ist eine wunderschöne Stadt mit tollen Altbauten, einem echt imposanten Dom und durchzogen von kleinen Kanälen. Wenn ihr irgendwann mal in Erfurt seid, lasst euch die Altstadt nicht entgehen, die ist wirklich großartig!

Zurück in unserer Pension hatten wir noch zwei-drei Stunden Zeit, bis wir wieder in den Museumskeller wollten, um die Kollegen des heutigen Abends bejubeln zu können. Philipp hat die Zeit genutzt, um sich eine Weile in die Badewanne mit Whirlpool zu legen. So entstand eine spontane Badezimmersession, bei der Lennart auf der gitarrespielend auf der Toilette saß, während Philipp den Badewannenkapitän spielen durfte.

Zurück im Museumskeller wurde der zweite Abend von „Hubi – the master of hellfire“ eröffnet. Am Nachmittag hatten Totte und er spontan beschlossen, sich die Moderation des Abends zu teilen. Und der master wurde seines Namens unmittelbar gerecht, als er sich erst einmal die Jacke anzündete und mit brennenden Klamotten Gitarre spielte. Große Show!

Der erste richtige Act des Abends war Martin Lohmann, der mit eher gefühlvollen Liedern, nur von seinem Bass begleitet, das Publikum schnell für sich gewinnen konnte.

Direkt danach war der Weiherer dran. Wie wir ja alle wissen ist Christoph ein waschechter Bayer, der auch auf Bayrisch singt. Lennart hat ja immer Probleme damit, so richtiges Bayrisch zu verstehen, aber der Großteil erschloss sich ihm an diesem Abend trotzdem. Besonders hervorzuheben, sind des Weiherers knochentrockene Ansagen, die für sich genommen schon ein Comedyprogramm wert wären. So betonte er zum Beispiel, dass man ihm gesagt habe, um nach Erfurt zu kommen müsse er ja in den Osten fahren. Das habe er auch getan, als er dann aber einen Blick auf die Karte warf, musste er feststellen, dass, von seinem Heimatort Zeilarn aus gesehen, Erfurt im Nord-Nordwesten liege. Hier fände sich der Grund, warum er so spät angekommen sei.

Den Abschluss der ersten Konzerthälfte durfte Michael Günther machen, der sich als Umland-Berliner gerade auch in den jungen Bundesländern eine große Fangemeinde aufbauen konnte. Und sein Mitsinglied über die „Schuld der Bäuerin“ klang einem noch die ganze Pause in den Ohren (A-Uh). Michael erzählte ohnehin viel von den Traditionen auf dem Land: „Das ist auf dem Dorf nun mal Tradition.“

Nach einer kurzen Ohrenverschnaufpause kam dann wieder der „master of hellfire“ auf die Bühne, dieses mal mit ein paar Dynamitstangen in seiner Hand. Nachdem er sich als Selbstmordattentäter geoutet hatte, bat er jemanden aus dem Publikum darum, doch bitte sein Dynamit anzuzünden. Er versicherte gleich, dass er eine Zeitverzögerung eingebaut habe, und so brannten die Lunten schnell runter, und es knallte – nicht. Statt dessen nahm er seine drei Dynamitstangen und jonglierte mit ihnen, während er gleichzeitig mit ihnen einen Basisgroove auf einer Djembe trommelte und dazu einen Protestsong rapte.

Dann, nach einer langen Geschichte, die sich als Ansage entpuppte war endlich Johanna Zeul dran. Und jeder der Johanna schon mal auf der Bühne erlebt hat, weiß was das bedeutet. Für alle die, die das verpasst haben, erzählen wir es aber gern trotzdem. Johanna Zeul, 24, klein, eigentlich nicht sonderlich auffällig wenn man sie unter vielen Menschen sitzen sieht, legt kaum auf der Bühne mit einer Energie los, die einem Vulkanausbruch gleich kommt. Die Worteruptionen klingeln in den Ohren, das Gitarrenspiel, einhundertprozentig groovefest, zuckt blitzartig durch die Publikumsleiber, die Stimme kickst und jault, wie Nina Hagen in ihren besten Tagen. Nur, dass Johannas Musik eben deutlich besser ist. Dazu ein Bewegungsdrang als würde sie auf einem Lavastrom stehen. Diese Show, diese Songs, diese Stimme, diese Texte. Alles passt perfekt zusammen und so schaffte es Johanna, dass ihr der gesamte Museumskeller an den Lippen klebte. In einer delaygeladenen Impro, kurz vor Schluss ihres Programms, unterhielten sich ihre Hände, als wären es Handpuppen in einer Fantasiesprache, von der man aber immer wieder Brocken zu verstehen glaubte, was dazu führte, dass man meinte zu verstehen, was da zwischen den beiden Charakteren ihrer Hände für eine Szene geschah. Da ist wohl das eine Jahr Schauspielschule aus ihrer Biografie aufgetaucht. Einfach unglaublich.

Jetzt zu spielen war sicher nicht einfach, für Dirk Zöllner. Seit 25 Jahren als Musiker unterwegs und absolut bühnenerfahren, erklärte er zu erst, dass er ja im Grunde genommen gar nicht Gitarre spielen könne. Hat er aber trotzdem gemacht. Und, ganz ehrlich Dirk, war doch gut. Dazu Songs mit einer Stimme, die zu den ganz großen gehört. Hat mich manchmal sogar an Tom Waits erinnert, aber klarer und voller guter Texte. Eigentlich ist Dirk ja gar kein Liedermacher, hat er uns Backstage verraten. Statt dessen hat er seine Pop-Soul-Band „Die Zöllner“ und eine Hauptrolle bei „Jesus Christ Superstar“. Was aber nicht heißt, dass er deswegen etwas schlechter gemacht hätte als ein „echter Liedermacher“.  Den Abschluss von Dirks Set machte ein altbekanntes Joint Venture Lied. Gemeinsam mit Fred Timm intonierte Dirk „Ich brauch Personal“. Klar, dass ein Großteil des Publikums diesen Titel lauthals mitsingen konnte. Gleichzeitig stellte es auch eine Überleitung zum Auftritt Fred Timms dar.

Fred hatte, bekannt durch seine zahlreichen Solo-Künstler-Konzerte der letzten fünf Jahre, das Mitsingen nahezu selbstverständlich auf seiner Seite. Trotz einer erheblichen Menge „White Russian“, die die vorgerückte Uhrzeit nun mal so mit sich brachten, setzte er einen seiner Hits souverän an den andern. Klar, dass Fred auch was zusammmen mit Totte vorgetragen hat. Wer die beiden kennt, weiß ja, dass sie sehr häufig gemeinsam auftreten. Und Totte durfte dann das ganz großartige Kazoo-Solo zu „Schönheitschirurgie“ performen. Dabei tänzelte er durchs Publikum und schwand sich in dermaßen luftige Höhe, dass selbst der nicht ganz so großgewachsene Totte die Decke des Museumskellers berührte. Freds Show ging stimmungsgeladen zu Ende.

Und schon war die Bühne offen. Weil wir deutlich klarer im Kopf waren, als zur selben Zeit am vorangegangenen Tag, liessen wir es uns nicht nehmen uns zwei Klampfen zu schnorren und noch mal auf die Bühne zu klettern. Dabei haben wir unserem Namen definitiv alle Ehre gemacht, weil wir, im Gegensatz zu den ganzen anderen tollen Künstlern die so anwesend waren, gleich vier Stücke zur offenen Bühne beitrugen. „Und“ ist dabei leider ein bisschen untergegangen, dafür hat „Schlafentzug“ mal wieder ordentlich Aufmerksamkeit gezogen. Jörg und Marcus von Phrytz, die eigentlich erst zur offenen Bühne am nächsten Tag kommen wollten haben sich dann auch noch zu einer kurzen Performance hinreißen lassen, und so gegen zwei Uhr war dann langsam die Luft raus. Das Publikum bröckelte weg, die Kneipenbeschallung wurde aktiviert. Der Wirt gab uns die letzten Biere auf Kosten des Hauses, als plötzlich Johanna und Fred beschlossen, die Raumbeschallung doch noch mal abschalten zu lassen, um eine „Lagerfeueridioten“-(Totte)-Singerunde aufzuziehen. War noch super witzig, die kreisende Gitarre brachte Philipps Talent zu tage, tausende von Liedern auswendig in seinem Kopf zu behalten. Und so wurden noch verschiedenste Hits von den verschiedensten Leuten in gemütlicher, kleiner, persönlicher Runde losgelassen. Super Ausklang des Abends.

Am nächsten Morgen konnten wir uns leider nicht mehr von allen verabschieden, weil wir uns ja schon um halb eins auf den Weg zum Bahnhof machten. Also, hier ein „Tschüß“ an all die netten Leute, von denen wir uns nicht persönlich verabschiedet haben.

 Jedenfalls hört die Story auf, wie sie angefangen hat. Im Zug, da lernt man Leute kennen. Unser letztes Highlight war die schöne Singerunde im Regionalexpress von Göttingen nach Hannover, gemeinsam mit zwei netten Ulmer Jungs, von denen der eine übrigens im szenebekannten „Hemperium“ jobbt. Den werden wir dann wohl auch irgendwann mal besuchen ...