05/19/06

Produktion | Trier | LPJe Jubiläumskonzert

 

 

Bericht von PhilippGroße Erwartungen lagen auf dem Freitagabend, an dem wir in Trier in der Produktion spielen sollten. Unser Kollege Jess Reisig hatte dort vor einiger Zeit den ersten Platz bei nem Comedy-Slam gemacht. Er wurde gebeten doch mal einen ganzen Auftritt dort zu geben. Den wollte er aber gerne mit uns machen.

Uns wurden Unterkunft und komplette Fahrtkostenerstattung zugesagt. Anders wärs wohl auch kaum möglich, mal soeben von Oldenburg nach Trier zu fahren, ohne Miese zu machen. Na ja, aus den kompletten Fahrtkosten wurden dann später doch nur 100€, aber da wir mit vielen Zuschauern rechneten, waren wir da sehr optimistisch. Schließlich erfuhren wir vorher, dass Sebastian Krämer, ein recht bekannter Comedian, der auch schon mal mit Fernsehen auftritt, Werbung für uns gemacht hat. Die Monsters of Liedermaching taten selbiges bei ihrem Gastspiel in Trier. Außerdem wurde in Trier City plakatiert, also waren wir voller Hoffnung auf ne volle Hütte. War ja auch ein besonderer Anlass, den die LPJe feierte ihren ersten Geburtstag. Am 19.5.2005, also ganz genau vor einem Jahr sind wir zum ersten Mal mit Jess aufgetreten. Seitdem verbinden uns viele Erinnerungen an gemeinsame Konzerte und Liedermacherfestivals.

Zunächst hatten wir aber erstmal eine kleine Weltreise zu überwinden. 7½ Stunden Zugfahrt. Davon 6 Stunden im IC von Leer nach Trier. Ich war zu allem Überfluss noch richtig schön krank geworden und hatte die vergangenen Tage damit verbracht, mich zu schonen und wieder fit zu kriegen. Noch mit leicht fiebrigem Gefühl in Oldenburg eingestiegen, verbesserte sich mein Zustand zunehmend während der Fahrt. Und die wurde immer schöner. Für so Jungs aus dem Norden ist diese Gegend am Rhein mit zahllosen Weinbergen doch echt sehr beeindruckend.

„Die Luft ist kühl und es dunkelt und ruhig fließt der Rhein
Der Gipfel des Berges funkelt im Abendsonneschein“
(Heinrich Heine: Loreley)

Nächstes absolutes Highlight für mich war der Zwischenhalt in Andernach, der Geburtsstadt von Charles Bukowski. Ja, der ist eigentlich Deutscher gewesen. Ich war aber noch nicht in der Verfassung zur Huldigung des Schriftstellers ein Bier zu entkorken.

Mit 25 Minuten Verspätung kamen wir dann in Trier an. Abgeholt wurden wir von Jess und seiner Freundin Sandra und ab gings in die Produktion. Soundcheck, Setlist, Salamipizza beim Türken von nebenan und zurück in den Laden und was sehen unsere entzündeten Augen? Schon halb zehn und nur ein paar vereinzelte Leute. Was tun? Konzert absagen? Nein, wäre den Leuten gegenüber, die gekommen sind nicht fair. Also sich mal wieder der Situation stellen. Wir entschlossen uns, eine kleine Runde aufzumachen und unplugged zu spielen. So zogen wir trotzdem das ganze Programm durch und es wurde doch ein schöner Abend.

Auf dem Bühnenrand saßen wir ausgestattet mit ein paar 6er - Trägern Beck’s und hatten so einen sehr direkten Kontakt zum Publikum.

Der CD-Verkauf lief gut und weil es dem Veranstalter so gut gefiel, was wir machten, legte er noch ein paar Euro drauf, so dass wir definitiv im Plus waren. Was lehrt uns das? Niemals resignieren, sich ins Zeug legen und das Beste draus machen. Es lohnt sich meistens. Dann noch Absacker bei Jess und Sandra in der Wohnung, denn Jess wohnt jetzt dort, ist also jetzt Trierer Liedermacher.

Da ich durch den Alkoholkonsum die Erkältung nicht mehr spürte und daher mal wieder ohne Ende geschlotet hatte, wachte ich am nächsten Morgen mit dem übelsten Husten auf, der mich noch den ganzen Tag plagte, obwohl ich komplett aufs Rauchen verzichtetete. Lennart ging es auch nicht besser. Er reierte den ganzen Vormittag. Wir hatten doch nur Bier. Hm, zu wenig gegessen, oder Ur-Pils verträgt sich nicht mit Beck’s und Jever. Nachmittags ging es jedenfalls wieder. Zuvor machte ich mit Jess und Sandra einen Bummel durch das verregnete Trier. Aber auf jeden Fall beeindruckend, die älteste Stadt Deutschlands. Alte Bauten und Gemäuer von den Römern, ein Amphitheater. Steh ich ja voll drauf (Siehe Fotos). Könnte mir gut vorstellen, da mal zu wohnen.

Abends gings wieder in die Produktion, denn da war Poetry-Slam. Bei so was war ich auch noch nie. Besonders am Anfang waren einige nette Beiträge dabei, das meiste haute mich aber nicht so vom Hocker. Dann feierten wir noch in Lennarts Geburtstag rein. 27!


Es gibt auch noch einen ausführlicheren Bericht vom Konzert, den uns Petra freundlicherweise geschrieben hat. Petra veröffentlicht öfter mal Liedermacher-Konzertberichte auf www.liedermacher-forum.de

Es ist mir eine Ehre, den Bericht zum ersten Geburtstag schreiben zu dürfen, und es war mir ein uneingeschränktes Vergnügen, dabei gewesen zu sein. Leider waren im Vorfeld nicht sehr viele Leute der gleichen Meinung, und ich erfuhr erst nach dem Konzert, dass das Damoklesschwert einer Konzertabsage über uns geschwebt ist. Das hätte mir nach einer Anfahrt von 135 km gar nicht geschmeckt, und inzwischen weiß ich ja auch, dass ich etwas verpasst hätte.

Als ich etwa 20 Minuten vor neun Uhr in der 'Produktion' in Trier ankam, war bereits alles vorbereitet. Auf der überraschend geräumigen Bühne standen drei Stühle und drei Mikros, der Soundcheck war bereits erledigt. In dem nicht sonderlich großen Raum waren Bänke aufgestellt - acht Reihen mit je zwei Bänken. An der Kasse wurde diskutiert, ob es um neun Uhr losgehen sollte oder ob ab neun Uhr Einlass wäre. Lennart und Philipp hatten eine achtstündige Bahnfahrt hinter sich und gingen noch schnell was essen. Zehn nach neun waren sie zurück, die Gästeschar war immer noch recht kläglich - so ziemlich jeder im Publikum hätte eine Bank für sich haben können. Aber mal ehrlich, Philipp, man fährt doch keine acht Stunden mit der Bahn und lässt dann das Konzert ausfallen! Das wäre ja ein jämmerlicher Geburtstag geworden. Glücklicherweise setzte sich Lennart durch, der vorschlug, die Mikros zu vergessen und für die paar Leutchen unplugged zu spielen. Sie setzten sich an den Bühnenrand, versammelten das Publikum auf den vorderen Bänken, und so wurde es zu einem feinen, intimen Wohnzimmerkonzert. J

Bislang hatte ich noch nicht die Gelegenheit gehabt, das Duo Spieltrieb zu erleben, weil Oldenburg für mich außer Reichweite liegt, aber ich hatte schon viel Gutes gehört und wurde nicht enttäuscht. Dieses Duo ist keine statische Angelegenheit, Spieltrieb ist flexibel und wandlungsfähig. Mal spielen sie beide Gitarre und singen zweistimmig, mal singt einer und der andere begleitet ihn, dann spielt und singt der andere und der eine singt den Background …- denkt Euch ruhig noch ein paar Varianten aus, so ziemlich alles war möglich. Jess hat als Solist natürlich nicht diese Variationsmöglichkeiten, aber als LPJe werden sie immer wieder zu einem Trio, dann lösen sie sich wieder auf und jeder macht sein eigenes Ding. Das einzige, was fehlte, war, dass alle drei gemeinsam Gitarre spielten, aber das scheiterte allein schon an der beschränkten Anzahl verfügbarer Gitarren. Ansonsten sang Jess beispielsweise mal den Background oder den Refrain bei Spieltrieb mit, dann sang er ein eigenes Lied und ließ sich dabei von Philipp auf der Gitarre begleiten, und Lennart saß dazwischen und sorgte für die Performance. Das wirkte alles sehr locker und leicht, durch den ständigen Wechsel niemals langweilig, sondern ausgesprochen erfrischend. Nur seine Mundharmonika hat Philipp nie hergegeben. Wollten die anderen nicht oder durften sie nicht?

Den Anfang machte Jess mit einem Stück, das ich noch nicht kannte. Zunächst musste er seine Mitstreiter vertreiben, denn er erzählte - oder er fragte sich, warum er sich immer wieder alleine mit einer Gitarre vor Publikum setzt. Am Schluss wurde gebangt, und es ist mir ein Rätsel, wie man dabei Gitarre spielen kann, aber er hat bewiesen, dass das geht.

Es wurde ein sehr abwechslungsreicher Abend mit sage und schreibe 35 Liedern. Als Gedächtnisstütze habe ich mir die Setliste geben lassen, aber vermutlich gibt es eine ungeschriebene Regel: Die Setliste ist dazu da, dass man sich nicht daran hält. *g*

Bei In letzter Zeit von Spieltrieb habe ich mich halb schlapp gelacht. Diese Situation mit dem nicht gekochten Tee kenne ich nur zu gut. Und auf die Frage: 'Geht das vorbei oder bleibt das für immer?' kann ich antworten: 'In Eurem Alter hatte ich das noch nicht, aber seit es angefangen hat, ist es nicht mehr besser geworden.' :-D

Philips Ansage zu Lady hat mich zunächst etwas irritiert, weil da gleich mal die Pointe verraten wurde. Inzwischen habe ich mich aber davon überzeugen lassen, dass das in diesem Fall sinnvoll ist, weil die Pointe ansonsten von 90 % des Publikums gar nicht wahrgenommen oder verstanden wird. Bei Fairomone von Jess haben sie es anders angestellt: Da wurde darauf hingewiesen, dass es einen Schlussgag gibt, aber er wurde nicht gespielt. Gut, dass ich die CD bereits besitze, denn: 'Neugier, Dein Name ist Weib.' ;-)

Als Kontrast zu den rockigeren Titeln gab es auch Lieder wie z. B. Ich will warm, von dem Lennart einmal sagte: 'Das ist das Poetischste was mir je passiert ist.' Das war wohl der Kuss der berühmten Muse. Und auch bei Fast ein Liebeslied ist es anscheinend nicht mit rechten Dingen zugegangen. Jess wollte sich eigentlich nur dagegen sträuben, eines schreiben zu müssen - und dabei ist es dann 'passiert, und Du hast mich dazu inspiriert'.

Das Lied Vom Suffix -Innen wird man immer in der ersten Konzerthälfte finden, denn wenn Lennart beschreibt, was das für Blüten und Blütinnen treibt ;-), ist das Übermaß an Silben pro Minute selbst in völlig nüchternem Zustand bereits eine enorme Herausforderung.

Vor der Pause erzählte Jess, dass man als Liedermacher unweigerlich nach politischen Stücken gefragt wird. Da er selbst keins geschrieben hat, machten sie jetzt eine Anleihe bei Dan Yell, der in Sonntagmorgen eine ganz besondere Art hat, mit den Politikern umzugehen. Dem einen oder anderen mag das Lied auch unter dem Titel Klopapier bekannt sein.

Nach etwa einer Viertelstunde meldeten sich Spieltrieb mit Vereinsmeierei zurück. Dieses Stück ist bei einer Aktion entstanden, bei der sie und auch Jess vor einiger Zeit mitgemacht haben. Da wurde den Teilnehmern am Freitag ein Thema zugelost, das sie bis am Sonntag umgesetzt und aufgenommen haben mussten. Demnächst erscheint eine CD mit den so entstandenen Liedern.

Stellvertretend für viele andere Lieder sei noch Student 2010 genannt, in dem uns ein ganz neues Motiv für Beschaffungskriminalität gezeigt wird. Die Spieltrieb-CD Regionalexzess hat noch ein paar Stücke, die mir noch besser gefallen, aber der Refrain von 'Student 2010' setzt sich im Gehörgang fest, da kann man gar nichts machen.

Als offizielles Schlusslied wurde 12 Jünger von der CD jessmusik konzerttauglich umgetextet. So hieß es dann ungefähr 'jetzt ist es vorbei, spart Euch das Zugabegeschrei'. Aber so einfach sind sie natürlich nicht davongekommen.

Wir bekamen drei Zugaben. Nicht, dass wir danach schon genug hatten, aber Philipp sagte vorsichtshalber: 'Okay, es wird ja keiner gezwungen dazubleiben.' Und dann sang er für uns ein neues Stück von Rüdiger Bierhorst. Wie er da den Betroffenheitssongwettbewerb interpretiert hat, das war spitze. Da konnte man glatt zum Rüdi-Fan werden, wenn man es nicht bereits war. Aber dieser Abend war auch die beste Werbung in eigener Sache, Spieltrieb haben mich natürlich als neuen Fan gewonnen, das ist klar. Jess und seine Stimme hatten es mir schon vorher angetan, und als LPJe sollten sie unbedingt weitermachen. Ich würde mich freuen, wenn ich auch beim zweiten Geburtstag dabei sein könnte. Zum Abschluss sangen sie zu dritt noch einmal ein großartiges Lied von Rüdiger Bierhorst: Trinkt mit mir. Auch wenn ich nicht mitgetrunken habe, das Konzert hat mir super gefallen.

Philipps Spieltrieb hielt ihn allerdings immer noch auf Trab, und nachdem wir den ganzen Abend kein Notenblatt gesehen hatten, kramte er noch mehr Lieder aus seinem Gedächtnis, anstatt ans Zusammenräumen zu denken. Lennart quittierte das mit den Worten: 'Ja, Philipp ist eine Juke-Box.' *g*
Zum Schluss würde ich noch gerne etwas über das Publikum sagen: Okay, für ein richtiges Publikum waren wir etwas klein, aber wir haben uns wirklich Mühe gegeben. Wir haben nicht gequasselt, wir haben sehr aufmerksam zugehört, wir sind nicht unnötig in der Gegend rumgelaufen, nur nötig - ja, ich bin mal über eine Bank gestolpert, sorry, Jess, ich wollte Dich nicht ablenken - , wir haben nur selten mal eine Flasche umfallen lassen, das passiert halt, wenn man nur Augen für das Geschehen auf der Bühne hat. Ich glaube nicht, dass in der Pause jemand gegangen ist, dafür sind wir in der zweiten Konzerthälfte sogar noch gewachsen und zwar um vier Personen, das waren etwa 25 % - das soll uns so ein richtig großes Publikum erst mal nachmachen. ;-) Wir haben vom ersten bis zum letzten Lied kräftig geklatscht und nicht nur so ein bisschen geplätschert. Und wir haben brav CDs gekauft. Eines kann man uns allerdings vorwerfen: Unsere Mitsing-Qualitäten waren nicht berauschend, aber wenn wir singen könnten, wären wir auf der Bühne gesessen - und dann wäre es ganz Essig gewesen mit Publikum. ;-)

Es war ein toller Abend, wenn die LPJe mal bei Euch in der Nähe gastiert - unbedingt hingehen! Ich hatte 135 km hin und 135 km zurück zu fahren, und jeder einzelne Kilometer war es wert. Wir hatten eine echt schöne Geburtstagsfeier. Danke an Jess, Lennart und Philipp. Ja, Lennart, es war wirklich eine gute Idee, unplugged zu spielen, ohne Strom ist doch immer wieder am schönsten.

Viele Grüße von Petra