10/18/07

BKA Theater | Berlin | Berliner Chansonfest

Bericht von Lennart

Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!

Ungefähr das habe ich gedacht, als wir die Bestätigung hatten, dass uns die Auswahljury aus etwa 50 Einsendungen zum Nachwuchswettbewerb des Berliner Chansonfests eingeladen hat. Einerseits scheiße, weil Wettbewerb. Andererseits geil, weil wir unser Berlin-Debüt gleich mit Publikum geben durften.

Eine relativ ereignisarme Anreise, wenngleich mit einer Mitfahrgelegenheit und einem echten Bestandteil des denkenden Proletariats (ein werdender Schweißermeister) auf dem Beifahrersitz. Dieser hat mal als Rowdy gearbeitet und hatte einige interessante Geschichten zu erzählen, vom Trinken mit Lemy von Motörhead, von Westernhagen, von Pink Floyd und 80er Jahre Rockgruppen, die damals in waren und die heute kein Schwein mehr kennt. Also schon irgendwie spannend.

Um unseren Berlineinstand möglichst mit allen an uns interessierten Menschen feiern zu können, beschlossen wir im Vorfeld ein musikalisches Picknick im Berliner Viktoriapark stattfinden zu lassen. Das Wetter spielte mit, allerdings war es fast ein bisschen zu kalt um Gitarre zu spielen und sich stundenlang im Freien aufzuhalten. Trotzdem haben wir die Aktion durchgezogen und es wurde uns materiell mit zwei verkauften Platten und ideel mit sehr guten Wünschen für den Abend gedankt. Also eigentlich schonmal vorweg alles gut.

Dann also ab ins BKA. Schon beim Reinkommen war ich von der Atomsphäre überwältigt. Ein wunderschönes Theater, perfektes Ambiente. Kurz nach dem Aklimatisieren das übliche Prozedere. Soundcheck und warten. Dabei die netten Kollegen kennenlernen, die allesamt nicht sonderlich wettbewerbsmäßig drauf waren, was mir persönlich sehr gut gefallen hat. Dadurch fiel es mir leicht, den Wettbewerb zu verdrängen und mich einfach auf den Auftritt zu konzentrieren. Ein Auftritt vor interessiertem Berliner Publikum. 200 Leute am Start. Das ist ein traumhafter Einstand. Besser kann man es kaum treffen. Also erst mal alles rosig.

Die Running-Order setzte uns an die letzte Stelle der 6 Acts, so dass wir zumindest den Zeitraum vor der Pause im Zuschauerraum verbringen und uns unsere "Konkurenz" angucken konnten. Trostfüralle durfte den Anfang machen. Sparsam instrumentierte, gefühlvolle Lieder, performt mit Gitarre und Bass. Sehr schön. Dann Illute, die mir Backstage schon sehr sympathisch aufgefallen ist. Sie tritt auf die Bühne und wirkt ein bisschen verschüchtert. Kein Wunder, macht sie doch erst seit einem halben Jahr diese Musik. Die sympathische 27-jährige setzt sich ans Klavier und spielt erst mal zwei sehr schöne Lieder. Dann wechselt sie zur Gitarre. Dort trumpft sie dann so richtig auf. Nicht gitarristisch, aber plötzlich legt sie eine Stimme an den Tag, die ein bisschen an Shakira erinnert, was in einem massiven Gegensatz zu ihrem Erscheinungsbild steht. Großartig. Als nächstes kam Jan Opoczyinski auf die Bühne, der eigens für diesen Abend eine Band zusammengestellt hat, weil ein guter Teil seines bis zu 33-köpfigen Orchesters heute irgendwas anderes zu tun hat. Er spielt Hochniveauschlager im Stil von Manfred Krug und auch das kommt beim Publikum gut an. Vor uns sitzen zwei Mädels, die beim Reinkommen (natürlich zu spät) gefragt haben, ob der Jan schon gespielt habe. Während seines Auftritts kreischen die dann laut und hauen auch schon wieder ab. Komische Aktion und blöde Idee, denn jetzt kommt Albertine Sarges auf die Bühne, die erst einmal schon eine Augenweide ist, aber auch musikalisch, vor allem gesanglich zu überzeugen weiß.

Jetzt ist also Pause und wir klären die letzten Details mit dem Tontechniker und verkrümeln uns für die zweite Halbzeit in den Backstageraum von dem aus wir schließlich auftreten müssen. Doch vor uns ist noch Mädchenzimmer dran, die mit dem Laptop auf der Bühne, elektronischen Beats und Akkordeon, Geige usw. eine fast schon livehörspielartige Gesamtperformance in bunter Kostümierung durchziehen. Wir hören nur das Gejubel von hinter der Bühne und fragen uns, was denn da gerade auf der Bühne abgeht. Einzig dass die Damen überziehen, schmälert unseren Genuss dann doch erheblich.

Doch eine Darbietung mit Überlänge ist irgendwann zu Ende und so erklimmen wir endlich die Bühne. Kein Publikum ist zu sehen, so sehr blenden uns die Scheinwerfer. Gut dass wir schon wissen, dass welches da ist. Wir hatten den Plan nach der Ansage ohne ein Wort zu sagen zu beginnen. Ich wollte das so. Auf der Bühne stehen wir also, das Publikum in fast schon gespentischer Ruhe und da hören wir aus dem Backstageraum, dass da gerade gemeinsam Lieder gegrölt werden. Auch das Publikum hört das und so kann ich mir einen ganz kleinen Kommentar dann doch nicht verkneifen. Worüber ich mich zwar ärgere, aber trotzdem haben wir bei "Keine Ahnung" nicht viel falsch gemacht. Auch die anderen drei Songs präsentieren wir in cleverer Routiniertheit und auch wenn ich mich bei Sonnenbrand verspielt habe, habe ich das mit einer kleinen Improvisation wieder rausreißen können. Also ein gelungener Auftritt, zumal das Publikum uns mit lauten Lachern im Stück und Zwischenapplaus richtig Freude gemacht hat. Geil.

Jetzt spielt Bruno Franceschini mit seiner Band, den ich schon kenne und sehr schätze. Leider muss ich während seiner ersten zwei Lieder erst einmal Backstage den Auftritt verdauen, kann aber von da aus mitsingen und mich am Leben freuen. Großartig. Nach zwei von Brunos Liedern schaffe ich es dann auch mich in den Zuschauerraum zu begeben und ihm zuzuhören. Ich setze mich neben Illute und genieße die Songs, die auch sie zu schätzen weiß. Um das klar zu machen, Bruno spielt in diesem Rahmen außer Konkurrenz, um die Zeit der Juryberatung zu überbrücken. Die braucht dann länger und Bruno muss noch ein paar Stücke dranhängen. Was für mich schön ist. Es hätten ruhig noch ein paar Lieder mehr sein können.

Schließlich kommt die Jury rein und hat einen Zettel mit dem Namen des Siegers in der Hand. Es ist: Illute! Sie sitzt neben mir und kann es nicht fassen. Ich fall ihr um den Hals und beglückwünsche sie, noch bevor sie auf die Bühne gehen kann. Eine Entscheidung die aus meiner Sicht mehr als in Ordnung geht. Sie hat das großartig gemacht. Wobei die Acts des Abends so verschieden waren, dass es unglaublich schwer gewesen sein muss sie überhaupt irgendwie miteinander zu vergleichen. Und, um auch das klar zu stellen. Aus meiner Perspektive hatte jeder Act eine spezielle Qualität und hätte damit den Sieg verdient gehabt. Jetzt ist es aber Illute, die mir ja schließlich schon Backstage so sympathisch war...

Danach feiern wir noch mit den Leuten, unterhalten uns ein bisschen und sind schließlich die letzten, die noch im BKA sind. Was für ein Zufall ;-) Jedenfalls nimmt uns Antje aus der Jury im Taxi mit nach Mitte, wo wir unser zu Hause für diesen Abend haben. Alles in allem ein unfassbarer Abend. Allerdings bleibt anzumerken, dass es Philipp nicht ganz so gut gelungen ist, den Wettbewerbscharakter aus seinem Kopf zu verdrängen, weshalb er erstens vorher angespannter und zweitens hinterher der Überzeugung war, nie mehr in einem Wettbewerb zu musizieren. Außerdem gab es da noch eine andere Nervgeschichte, so mit CDs und eMail-Adressen, aber die will ich hier nicht erzählen... Das klären wir dann im persönlichen Gespräch, gell?

Trotzdem war fast alles großartig und so ging ich mit einem richtig guten Gefühl schlafen, zumal Philipp und ich auch mal wieder in positiver Weise über unsere gemeinsame Zukunft gesprochen haben. Also alles gut. Danke ans Berliner Chansonfest.