02/15/08
Café Extrem | Wolfsburg | Doppelkonzert mit Phrytz
(Bericht von Lennart)
Extrem spät erreichen wir heute die Location. Denn in einer kurzfristigen Ansage seitens der Chefin konnten wir erfahren, dass wir erst ab halb neun würden aufbauen können. Also, was soll man dann denn schon um sechs vor dem Club rumlungern. Okay, bühnensüchtig wie wir sind, wäre auch uns das zuzutrauen, aber da Wolfsburg nicht Oldenburg ist und wir damit natürlich eine kleine Anreise hatten, sind wir pünktlich um viertel nach acht angekommen. Super... Das erste bisschen Publikum ("Wir dachten es geht um acht los.") war auch schon da. Genauer gesagt vier Leute, was nicht viel ist und die Café-Betreiberin dann auch schon um halb neun in die Verzweifelung trieb. Wir konnten sie irgendwie beruhigen, obwohl die Crash-Situation beinahe in eine kurzfristige Konzertabsage gemündet wäre und durften also spielen.
Es ist absurd. Man muss in allen möglichen Städten immer wieder darum betteln, Kultur anbieten zu dürfen. Deutschland ist wirklich arm dran. Wenn man keine gnadenlose Mainstreamscheiße produziert, kann man das Land der Dichter und Denker als künstlerischen Wirkungsraum schon fast vergessen. Um so bescheuerter, dass wir es trotzdem immer wieder wagen: uns erlauben zu glauben, dass es in jeder Stadt Menschen geben muss, die keine Lust auf Retortencombos haben, die offen sind für Neues.
Nach einem flotten Aufbau, währenddessen sich das Publikum auf wundersame Weise um 100% vermehrt hat, es waren jetzt acht Menschen da, legten Phrytz los. Und mit was für einem Sound. Geniale Klangdichte, verspielte Virtuositäten und eine ganz neue Bühnenpräsenz, die ich so von den drei Herren noch gar nicht kannte. Phrytz werden auch immer besser. Eigentlich gehören die schon jetzt in gute Kulturzentren mit 200 zahlenden Gästen. Aber sie spielen in einem kleinen Café, bauen ihre Anlage selber auf und freuen sich über acht Zahlende oder nehmen das zumindest hin.
Sowohl musikalisch, als auch in ihrer Performance haben die Jungs das "Publikum" jedenfalls voll im Griff und Philipp und ich stellen, während wir draußen rauchen, fest, dass wir heute ganz klar nass gemacht werden. Aber das sind Doppelkonzerte. Man weiß nie, was kommt, wer abgeht und so starten wir trotzdem halbwegs zuversichtlich in unser Set. Inzwischen, das sei an dieser Stelle angemerkt, hat auch die Chefin des Ladens ihren Frieden mit der Situation gemacht. "Das ist so schade, dass so gute Musik einfach nicht gehört wird."
Während wir uns zum Spielen bereit machen, verlassen etwa 80% des Publikums das Café, was Angst macht, sich aber durch das Indoor-Rauchverbot erklären lässt. Dummerweise kommt nur die Hälfte der Gegangenen wieder, so dass wir nach der Pause dann fast nur noch vor echten Spieltrieb-Fans sitzen. Zumindest spielen wir für die gerne.
Mit den ersten beiden Liedern vertreiben wir dann auch die letzten beiden, noch nie gesehenen Gäste aus der Location.
Egal denken wir uns und zocken unser Stündchen, hoffentlich zur Freude der Hierbleiber. Zumindest aber zu unserer, was ja auch schon mal ein Anfang ist.
Bleibt festzustellen, dass meine alte Heimat keine Kulturlandschaft ist. Ich frage mich ernsthaft, wie ich mit meiner musikalischen Ausrichtung der Szene dieser Stadt entwachsen sein kann. Verblüffung.