03/05/09
Freibad | Bochum | Staat-Sex-Amen-Tour 2009
Bericht von Lennart
Es ist Freitag Morgen und endlich soll es wieder auf Tour gehen. Bochum steht heute auf dem Plan. Ich wache bei meiner Schwester in Bremen auf, denn dort ist mein Wohnmobil in der Werkstatt. Hoffentlich werden die bald fertig. Schließlich brauche ich vier Stunden von Oldenburg nach Bochum. Und da muss ich vorher ja auch noch hinfahren, CDs einladen, Philipp einpacken, Wäsche abhängen, ...
Meine Schwester und ihr Freund bringen mich dankenswerter noch zum Entenladen, wo ich gegen halb zwölf eintreffe, denn man sagt mir, gegen Mittag sei der Wagen fertig. Leider ist wohl beim Wechsel des Lenkwellentraggelenks vorne links auch gleich das Radlager zerbröselt, so dass auch das getauscht werden musste, oder so ähnlich. Jedenfalls ist noch mal irgendwas nicht heile genug gewesen, als dass mich das super Team des Entenladens hätte halbwegs guten Gewissens damit weiterfahren lassen. Ich richte mich also wieder bei denen büromäßig ein, um die Zeit halbwegs sinnvoll zu nutzen und rauche deren Pausenraum zum Kaffee zu.
Schließlich ist es dann aber soweit, dass Uwe sich auf macht, den Wagen Probe zu fahren. Dummerweise ist da immer noch eine Stelle, wo die Kiste Öl verliert. Aber das Faß wollten die nicht mehr aufmachen, denn um da ran zu kommen hätten sie wohl grob 6 Stunden gebraucht. Jetzt heißt es also noch regelmäßiger nach dem Öl zu gucken.
Gegen viertel vor drei hole ich endlich Philipp ab. Wir laden CDs für die nächsten drei Monate ein und düsen eilig in meine Ex-WG, wo noch meine Wäsche auf nem Ständer hängt. Dort angekommen treffe ich keinen meiner lieben Exen, aber nutze deshalb jetzt mal die Gelegenheit Paolo Pinkel und wie sie alle heißen per Internet zu grüßen.
Der Weg nach Bochum hat für mich als Fahrer mit vier Dingen zu tun:
1. Stelle ich fest, dass mein Wagen durch den Werkstattaufenthalt leiser geworden ist, was Philipp gleich genießt, indem er die Hälfte der Strecke mit seiner Freundin telefoniert, was vorher wegen das allgemeinen Lärms nur brüllend und ohne das Gegenüber zu verstehen möglich war und deshalb wahrscheinlich viel weniger Spaß gemacht hat.
2. Machen wir, weil wir so spät dran sind, schon mal während der Fahrt eine Setlist, um nicht ganz unvorbereitet anzukommen. (Un-)Glücklicherweise haben wir festgestellt, dass wir uns mal wieder auf ein unverstärktes Konzert, also so richtig, so ganz ohne Anlage, eingelassen haben, weil der Wirt uns versprochen hat, dass die Räumlichkeiten so unglaublich klein seien, dass man da keine brauche. Heißt aber auch: jetzt wo wir spät dran sind ist das auch egal, denn Zeit für einen Soundcheck werden wir wohl eher nicht brauchen.
3. Hat Philipp gerade einen Best-Of-Mix der Schröders zusammengestellt bekommen, den wir uns jetzt auch schon fast genießend anhören können, denn das Motorengeräusch ...
4. Hat Bochum eine riesengroße Umweltzone, über die ich mich in der, der Abfahrt vorausgegangenen Hektik nicht genau informiert habe und dabei also feststellen musste, dass wir nirgends vom äußeren Ring Richtung Stadt abfahren dürfen, ohne gegen die Umweltzonenkrimskramserei zu verstoßen. Also verstoße ich erstmal, nachdem ich um fast ganz Bochum rumgefahren bin, gegen diese Verordnung und anschließend kalkulieren wir das Busticket gegen das Knöllchen, entscheiden uns dann für das Busticket, weil es doch nur ein Zehntel des Knöllchens kostet und verlassen Bochum entlang von Straßenbahnschienen, bis wir, nach viel hin und her und Gurkerei schließlich die Stelle gefunden haben, wo wir einerseits mit Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel parken können, andererseits aber gerade so nicht in der Umweltzone stehen. Stellt sich schließlich die Frage, ob die Umwelt sich über unsere 20 km Umweg gefreut hat.
Der Club selbst ist nett, aber gar nicht so klein, wie der Chef gesagt hat. Er möchte zwar, dass wir in einem erhobenen Bereich spielen, aber insgesamt war die Lounge die daran angrenzte erstens gemütlicher und zweitens ziemlich weitläufig. Von der Einrichtung her erinnerte die Lounge an ein Kinofoyer im Großraumkino. Von der Dimension her - auch fast.
Andererseits werden wir selten herzlich begrüßt, die ganze Mannschaft ist super nett, der Chef erst recht, es gibt gleich was Gutes zu essen, ... Wohlfühlklima garantiert. Und obwohl es schon acht ist und wir um halb neun spielen sollen, ist noch keiner da, so dass wir uns auch mit so quasi gar nichts zu beeilen brauchen.
Wir beginnen unseren Auftritt um halb zehn. Es sind immerhin sieben, nach ein paar Minuten glaube ich sogar neun Leute da, wobei die sich soweit wir möglich von uns entfernt in der Lounge versteckt haben und ich deshalb die dunkelsten Ecken nicht richtig überblicken konnte, aber knutschender Schatten gewahr wurde. Nach ein paar Songs ändert sich die Situation gewaltig. Das gesamte Ensemble des jungen Theaters Bochum entert die Location und wir haben jetzt plötzlich Publikum. Allerdings - uns geht es dann nicht anders - haben die gerade einen Auftritt hinter sich und wollen einfach nur zusammen Bier trinken und quatschen. Genau das tun sie dann auch, weshalb wir ohne Anlage jetzt vollends verloren sind. Mit direkter Ansprache und viel Show versuche ich die Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen, ziehe alle Register und wir bekommen dafür Applaus, dessen Mitleidsanteil wahrscheinlich nicht ohne ist. Einzelne Leute in der näheren Umgebung haben wir beizeiten mit uns, aber auch diese geben immer wieder auf uns zuzuhören, denn der allgemeine Lärmpegel übertönt uns so mühelos, dass es schon ein hohes Maß an Konzentration erfordern würde, unseren Texten vollständig zu folgen. Wer aber will sich Freitagnacht um halb zwölf noch so konzentrieren?
Genau.
Mit dem Taxi zurück zum WoMo (hat uns der Chef spendiert) noch ne Runde lesen ("Walden" von Henry David Thoreau, Prädikat: empfehlenswert) und auf andere Gedanken kommen. Aus unerfindlichen Gründen schlafe ich dennoch nicht unzufrieden ein sondern bin glücklich mit dem Abend. Vielleicht weil ich weiß, dass das Erfahrungen sind, die wir irgendwann mal machen müssen und - so die nicht richtig bestechende Logik - wenn wir sie jetzt gemacht haben, das Thema vom Tisch ist. Vielleicht auch, weil ich insgeheim hoffe, dass es Zeiten gibt, in denen wir etwas wehmütig auf solche Abende zurückblicken. Auf jeden Fall frisst mich das alles nicht sonderlich an.
Jetzt, nach dem Aufstehen, beim Schreiben, habe ich das Gefühl, dass das alles schlimmer klingt, als es sich für mich angefühlt hat. Aber heute Abend sind wir in Köln und mal gucken, was da geht... Juchu!