05/03/09
Rückkehr der Unschuld Festival | Weitersroda | Staat-Sex-Amen-Tour 2009
Bericht von Lennart
Das Schloß Weitersroda wird "regiert" von Prinz Chaos II. alias Florian Kirner, einem anarchistischen Hippie der dort versucht eine freie Kommune aufzuziehen. Leider ist das Schloß im letzten Jahr von Neonazis überfallen worden. Damit sich wieder das Gefühl von Freiheit einstellt, wenn Menschen dort ausgelassen feiern, wurde das Rückkehr der Unschuld Festival veranstaltet. All diejenigen die in Erfurt zum Konzert von uns gehen wollten haben wohl mitbekommen, dass der Auftritt dort geplatzt ist und so schlug uns Tilo von kalter Kaffee vor, doch zum Schloßfestival zu fahren und dort zu spielen.
Wir kommen am Samstagnachmittag dort an und bekommen erst mal eine kleine Führung. In der Galerie ist gerade eine Ausstellung und der Schloßherr begrüßt uns hier sehr freundlich.
Später am Abend beginnt im Hof dann die zweite Runde des ganzwöchenendigen Festivals. Der Reimteufel, ein MC aus der Umgebung, gibt sich alle Mühe mit seiner Crew die Crowd ordentlich zu rocken. Und nach und nach wird es voller, aus allen Winkeln strömen Menschen herbei, die den Reimteufel dann standesgemäß zelebrieren. Der Typ ist echt hörenswert. Also tausche ich mit ihm CDs.
Später beginne ich zu malen. Ich bin nun weiß Gott kein Maler, aber es stand da eine Fläche an der gemalt wurde und Farben bereit und so nehme ich mir schwarz und "zeichne" (nimm Farben) so weit das irgendwie mit einem dicken Pinsel möglich ist, ein paar Striche, die mir zu erzählen beginnen, was sie werden wollen. Kurze Zeit später schon ist ein kleines Fleckchen der Leinwand von mir "beschmiert". Ich trete ein Stück zurück und bin das erste Mal seit meinen Kindertagen wieder stolz auf etwas was ich gemalt habe. Das ist meine Rückkehr der Unschuld!
Kurze Zeit später verstricke ich mich in eine politische Diskussion über Herrschaftsformen und -systeme, bei der ich stark die "Diktatur der Massen", also die Demokratie, allerdings mit der Grundvoraussetzung eines funktionierenden Minderheitenschutzes, verteidige. Der Gegenentwurf ist eine auf Konsens
basierende, in den Augen der Verteidiger damit herrschaftsfreie Ordnung. Schade, dass mir erst am nächsten Morgen einfällt, wo dann die Macht steckt, nämlich bei denjenigen die andere besser beeinflussen können. Ob diese Diktatur hilfreicher ist als die der Masse bezweifle ich nach wie vor.
Als ich nach etwa drei Stunden das Diskutieren beende, weil meine Diskussionspartner abhauen, und zur Bühne zurück kehre, finde ich dort eine strange Performance vor. Eine Frau tanzt lassziv, ein paar Gummipuppen fliegen durch die Gegend und werden vom Publikum halb begattet und ein Typ schreit zu einem Playback triebhaft tierische Wörter: "Ich - Affe!" ist so eine Losung. Die Stimmung ist sexuell aufgeladen und ein Mädel aus Bayern tanzt so deutlich nach Sex wie ich es noch nie gesehen habe. Krasse Sache. Ich zieh mir das noch eine kleine Weile rein, bis ich müde ins Bett sumpfe.
Am nächsten Morgen, kurz nach dem Aufstehen, also am frühen Nachmittag ist ein bisschen Ordnung schon wieder hergestellt. Tilo kommt mit einem leckeren Nudelauflauf vorbei, den wir gleich zum Frühstück verputzen. Kurz darauf beginnen wir dann auch mal zu spielen, nachdem der Hausherr Flori schon eine Stunde lang seine Lieder, er ist nämlich auch Liedermacher, aus einem Fenster heraus herab gesungen hat. Wir spielen größtenteils neue Lieder, die wir gerade erst einstudiert haben. Diese kommen an und machen großen Spaß. Das ganze wird sogar mitgeschnitten und wir können tatsächlich nach einer knappen Stunde, die wir so den frühen Nachmittag unterhalten haben ein paar CDs verkaufen. Wieder ein völlig unverhofftes Konzert, von dem wir vorher nicht wussten, was uns erwartet. Und ein wunderschönes.
Später am Nachmittag macht sich Philipp mit Tilo auf die Socken nach Roth, wo Tilo wohnt, während ich die Tage auf Schloß Weitersroda verbringe, also besser gesagt in meinem Wohnmobil vor dem Schloß, aber auch zu einem nicht geringen Teil im Schloß mit Flori, Resie, Atsushi und vielen anderen netten Menschen. Wir sind wieder eingeladen und haben natürlich Lust vorbeizukommen. Es war schön und wirds bestimmt auch wieder.