09/15/09

Morlock | Celle | Staat-Sex-Amen-Tour 2009

Bericht von Philipp

Aufbruch in Kiel. Sich während der Tour bei alten Bekannten zu erholen, tut einfach gut. Wir haben Simpsons gesehen, uns auf der Ausziehcouch gelümmelt und außerdem hat mein Freund David es geschafft, mir Tennis näher zu bringen. Es war ja gerade US-Open und da haben wir uns einige Spiele, vor allem das Endspiel der Herren, angesehen. Ich dachte, ich würde die Regeln und das Punktesystem dieses Spiels nie verstehen, aber so ab Mitte des Finales machte es nach ein paar letzten Verständnisfragen „klick“ und ich war drin. Und sofort wurde es auch richtig spannend, zuzuschauen. Was für ein Spiel. Nach vier Stunden stand der Sieger fest. Der Außenseiter, ich glaube Del Potro, oder so, ein Argentinier, gerade mal 20 Jahre alt, schaffte es, den Favoriten Federer, gegen den er bisher sechs mal gespielt und verloren hatte, zu bezwingen. Ihr merkt, mich hat es gepackt. Tennis ist aber auch so genial konzipiert, dass es bis zum letzten Moment spannend bleibt.
Jedenfalls breche ich mit neuen Erfahrungen auf zum nächsten Konzert. Wer den letzten Bericht gelesen hat, weiß, dass meine Gitarre beim letzten Gig technische Probleme hatte, also war ich in der Zwischenzeit beim Gitarrendottore. Der fand aber nichts und versicherte mir, ich könne gelassen auf den nächsten Auftritt zugehen. Woher die Probleme auch immer kamen, sie lagen wohl nicht am Instrument. Eine gewisse Restangst bleibt bei mir aber bestehen. Zumindest bis heute Abend, wenn dann hoffentlich alles funktioniert.
An das Morlock in Celle hat uns Franz vom Bunten Haus vermittelt, wo wir Anfang des Jahres waren. Die Kneipe ist in etwa so groß wie mein WG-Zimmer. Besitzer Klaus hat uns einen Spitzenauflauf gekocht und er ist überhaupt total freundlich und herzlich.
Unser Wohnmobil steht heute übrigens beim nahe gelegenen Gefängnis, das durch das „Celler Loch“ bekannt wurde. 1978 wurde in die Außenmauer der JVA ein Loch gesprengt. Laut Wikipedia sollte diese Aktion angeblich wie ein Befreiungsversuch eines RAF-Terroristen aussehen, um einen Informanten vom Verfassungsschutz in die RAF einzuschleusen. Das nur nebenbei.  
Der Soundcheck macht mir Hoffnung. Kein Knacken aus meiner Gitarre. Ich für meinen Teil bin irgendwie nicht ganz fit. Seit Tagen kommt es mir vor, als würde ich krank werden. Ist wohl so ein Tourphänomen. Zumindest sagte unser Kollege Fred Timm so etwas wie: „Als Musiker auf Tour ist man doch irgendwie immer kurz vor einer Erkältung.“ Die Luft, das Rauchen und das viele Singen belasten halt Hals und Stimme.
Zugegebenermaßen erwarte ich heute nicht viel vom Abend. Ich bin schlapp und freue mich schon aufs Schlafen. Ich trinke Saft und Wasser und verkneife mir die Zigarette vor dem Auftritt.
Als ich nach einer kleinen Ruhepause wieder in den Laden komme, staune ich, wie viele Leute an diesem Dienstagabend inzwischen gekommen sind. Viele Punks dabei, von denen wohl einige „damals“ im Bunten Haus mit dabei waren.
Als wir beginnen zu spielen, merke ich schon, dass die Schwingungen gut sind. Wir spielen heute im Sitzen. Das macht alles etwas entspannter und schont die Kräfte. Die Leute scheinen sehr erfreut über unsere Darbietung. Texte werden zu unserer Freude sogar mitgesungen. Es gibt viel Interaktion zwischen uns und den Leuten. Auch Klaus hinter der Theke feiert ordentlich mit. Wir tanken heute jede Menge positive Energie und sind gerührt, als uns in der Pause zwei Künstlerinnen ein für uns persönlich gemaltes Bild überreichen. Sie sagen, wir haben sie inspiriert und wollten uns dafür danken. Da muss natürlich noch ein Gruppenfoto gemacht werden. Schön zu sehen, dass man anderen Menschen etwas gibt mit einer Sache, die einem selbst so viel gibt.
Mal wieder zeigt sich, dass man auf Tour immer wieder überrascht wird. Man weiß einfach nie, was einen erwartet. Das kann sowohl zu positiven als auch zu negativen Überraschungen führen. Heute zum Glück nur positive.