12/19/09

Aladin | Bremen | Wunderlampenreiben der Mad Monks

Bericht von Lennart

Es ist Samstag, der 19. Dezember 2009. Spieltrieb wacht in einem verschneiten Wohnmobil in der Pampa auf. Draußen beträgt die Temperatur immernoch -15°C. In der Nacht zuvor hingegen war es frostiger. Der Tiefstwert liegt angeblich bei -17°C, wenn man dem Internet trauen darf. Wir froren allerdings nicht, nein, es war wahrlich angenehm im WoMo. Unsere Heizung verrichtet hervorragend ihren Dienst. Auf mittlerer Stufe macht sie das Fahrzeug selbst bei dieser klirrenden Kälte gemütlich warm.

Wir stehen auf und müssen uns zuerst etwas zu Essen besorgen. Wir schafften es nicht am Vortag einzukaufen, nachdem ich Nienburg mit zwei Stunden Verspätung erreichte. Andernfalls wäre im Vorhinein Zeit hierfür geblieben. Wohingegen dergestalt?

Jedenfalls schlendern wir durch die Nienburger Innenstadt, die mir gänzlich unbekannt ist, obwohl wir sowohl „Regionalexzess“ als auch „Schönes Ding“ in der Weserstadt aufgenommen haben. Eigenartig, wie wenig man von einem Ort mitbekommen kann, in dem man schon drei Wochen seines Lebens verbracht hat. Ich habe wirklich keine Ahnung von Nienburg. Jetzt kann ich selbstredend mit Allgemeinplätzen daher kommen. Nienburg hat seine ansehnlichen Eckchen, ja. Aber wie ich so mit Philipp durch die Fußgängerzone latsche, habe ich das auf Tour täglich neu erfahrbare Gefühl der Austauschbarkeit diverser Städte. Irgendwie sehen sie dann doch alle gleich aus, wenigstens in den Fußgängerzonen. Aber das singt ja auch Rainald Grebe, was wiederum ein gar nicht hier hin gehörendes und ganz anderes Thema ist.

Nach verschiedenen Frühstückseinkäufen (Philipp versucht an einem Marktstand eine einzelne Mandarine zu erwerben, die er auf Grund der Geringfügigkeit des Einkaufs prompt geschenkt bekommt.) und der Vertilgung eben dieser versuchen wir loszufahren. Ich schreibe 'versuchen', weil wir kaum damit rechnen, dass unser alter Diesel uns bei diesen Temperaturen problemlos seinen Dienst zur Verfügung stellt.

Nach drei erfolglosen Startversuchen rufen wir den ADAC an und bekommen schon beim 10. Bemühen kein Besetztzeichen zu hören. Offenkundig sind wir heute nicht die einzigen, die die Hilfe der Automobillobbyisten benötigen. So prophezeit man uns auch satte zwei Stunden Wartezeit. Mein Liedermacherkollege gerät in leichte Panik, überlegt, ob wir nicht besser den Zug wählen sollten, um halbwegs pünktlich in Bremen anzukommen. Ich hingegen will meinen Erstwohnsitz nicht im Stich lassen und gehe davon aus, dass, wenn es der ADAC-Mann schafft, bis 15 Uhr hier zu sein, wir womöglich auch bis 17 Uhr in der anderen Weserstadt sein werden. Es war zwar gegen vier abgemacht, aber unser Soundcheck dauert in der Regel nicht lange und wir würden auch so noch easy fertig sein, bevor um 18 Uhr die Tür geöffnet wird.

Der Herr vom Automobilclub erscheint tatsächlich grob zur angegebenen Zeit. Und natürlich braucht mein alter Rappeldiesel nur die Hilfe von zwei drei Hüben Startpilot und etwas Extrastrom aus einer Zusatzbatterie. Obgleich ich mir zuvor Sorgen gemacht habe, ob nicht möglicherweise auch das Kühlwasser eingefroren ist. Der Mechaniker überprüft das, indem er seinen Finger in mein Kühlwasser steckt und mir nach einer Geschmaksprobe bescheinigt, dass mein Kühlwasserfrostschutz hinreichend sei. Ob das so gesund ist?

Nach einer verhältnismäßig ereignislosen Fahrt, die überraschend flüssig verläuft, wenn man bedenkt, dass ich am Vortag mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von gewaltigen 45 km/h meinem Auftrittsziel entgegenraste, kommen wir schon um halb fünf am Aladin in Bremen an. Unser Soundcheck wird gleich erledigt und um viertel nach fünf sind wir damit durch, als die Klangprobe des Hauptacts, der Mad Monks, gerade erst beginnt. Hmmm, es scheint wir sind die einzigen, die den Zeitplan überhaupt einhalten können. Und das trotz des Zwölftels eines Tages das wir auf den Pannenhelfer warteten. 15 Minuten vor sechs trägt Robert das großartige Catering auf, wovon wir in diesem Augenblick nicht viel haben, weil wir noch davon ausgehen, dass wir Punkt 18 Uhr unseren Auftritt starten. Wir begeben uns also zu der Bühne im Café und harren dort der Türöffnung, mit der wir dann auch relativ zeitgleich loslegen sollen. Auf jeden Fall müssen wir um 19 Uhr fertig sein.

Weil „Grandmaster Flash und Bademoden mit Spitze“ wenigstens ein bisschen
Soundcheck zu verrichten verlangen (was verständlich ist) dauert alles noch etwas. Erst um 18:21, einige Sparsame wollen sich die Garderobe sparen und frieren bereits eine halbe Stunde im T-Shirt vor dem Eingang, beginnt das Spektakel.

Um Punkt halb legen wir vor genau zwei Zuschauern los, denn wir wollen nicht noch länger warten. Wir spielen auch wirklich in einem dem Einlass fernen, abgelegenen und für Ortsunkundige definitiv versteckten Teil des Aladins, was aber trotzdem nicht verhindert, dass schon während des ersten Liedes der caféartige Raum in dem wir konzertieren sich nahezu vollständig füllt. Gut so. Und jetzt beginnt es Spaß zu machen. Der große Rahmen und die zeitliche Grenze führen uns zu einem halbstündigen Rock- bis Punk-Rock-Set und wir geben ordentlich Gas. Mir gefällts und für das Publikum scheinen wir auch eine angenehme Überraschung darzustellen, ausgenommen jene, die ohnehin schon wussten, was sie von uns erwarten können und amüsiert einiges mitsingen. Lediglich die letzte Nummer „Marlborough  Hair“, die wir vor allem wegen des großen Gefallens den die „Mad Monks“ an dem Titel gefunden haben hier darbieten, ist eine ruhige und es stellt sich erwartungsgemäß heraus, dass eine eben solche sich in diesem Kontext auch nicht besonders gut durchsetzt. Der Murmelpegel schwillt an indes wir uns musikalisch verabschieden.

Dennoch muss ich sagen, dass ich immens zufrieden mit diesem kleinen Rock‘n‘Roll-Gig bin. Und jetzt gehts erst richtig los. Nachdem ich leider den ganzen Grillmaster-Auftritt über Freunde und Bekannte begrüße und mit ihnen mehr oder weniger small, zum Teil dankenswerterweise auch gar nicht small, talke, begebe ich mich mit meinem Ex-Mitbewohner Kjell vor die Bühne.

Da rocken gerade Distemper aus Moskau und legen einen ordentlichen Ska vor. Zwi-
schendurch nasche ich im Backstage von den schon weiter oben gelobten Kochkünsten Roberts, die kalt leider nurnoch erahnen lassen, welche kulinarischen Dimensionen ich mir da habe entgehen lassen, doch immer wieder zieht es mich vor die Bühne. Es macht wirklich Spaß den Russen bei der Arbeit zuzusehen.

Schließlich sind die gestörten Mönche an der Reihe. Die Bremer Formation mischt das heimische Publikum erwartungsgemäß gewaltig auf. Alles geht steil und die abzappelnden Zombies und Geistermönche, sowie ein Salsa tanzendes Paar auf der Bühne malen große Bilder. Gelungenes Ding liebe „Mad Monks“.

Zur Aftershow ziehen wir mit der ganzen Crew in die Auszeit um, die in der Neustadt zu finden ist. Dort sitze ich noch bis morgens um fünf mit sehr vielen netten Leuten, quatsche, trinke und rauche, bis ich mich müde und glücklich in mein Wohnmobil begebe.