03/20/10
Esperanto-Bar | Chemnitz
Bericht von Philipp
Während ich diesen Bericht hier schreibe, prasselt der Regen gnadenlos auf das Dach unseres Wohnmobils. Das Dach verstärkt das Geräusch natürlich erheblich, so dass sich schon ein stärkerer Schauer nach Weltuntergang anhört. Gut, dass ich heute nicht mehr raus muss. Ich habe bereits zwei Päckchen mit CDs in den Briefkasten geworfen. Aber wir sind schon froh, dass es nicht mehr friert und schneit und wir in der letzten Nacht nicht mal heizen mussten. Wir stehen auf dem Nachbargelände der Esperanto-Bar, einer Kombination aus Restaurant und Kneipe. Hier spielten wir gestern.
Nach einer Woche Berlin war ich froh, diese Stadt wieder zu verlassen. Wieder einmal habe ich festgestellt, dass ich mich hier zwar gut und gerne einige Tage aufhalten kann, länger aber nicht. Diese vielen Menschen, die weiten Wege, der Krach, der Gestank, die Armut in den Gesichtern vieler Leute, besonders in gewissen Stadtteilen. Ich bin froh, dass die Menschen so verschieden sind. Berlin mag ja seinen Zauber haben, doch ich weiß, dass ich hier niemals wohnen könnte. Ich freue mich schon jetzt auf mein schönes, kleines, nettes, etwas spießiges und sauberes Oldenburg. Da bleibe ich dann auch gerne wieder an roten Ampeln stehen und fahre mit dem Fahrrad auf der richtigen Straßenseite. Ach, wird das schön.
Heute sind wir aber in Chemnitz, was mir nach einer Woche in Berlin eine willkommene Abwechslung ist.
In der Esperanto-Bar sind wir heute zum ersten Mal. Erster Eindruck: Sehr nett. Wir spielen so oft in ranzigen Kneipen, was ja gar nicht schlecht ist, aber auch den Laden heute empfinde ich als angenehme Abwechslung. Das vom Chef Ronny erarbeitete innenarchitektonische Konzept baut auf Internationalität, auf Multikulti auf. Daher auch der Name „Esperanto“ (Name einer entwickelten Weltsprache mit stark reduzierter Grammatik). Hier gibt es einen Shisha-Raum, bunte Sofas und Bänke, Afrikanische Masken, Buddha-Figuren und moderne Gemälde. Angenehm beleuchtet passt das in meinen Augen aber alles irgendwie zusammen. Eine multikulturelle Kollage sozusagen.
Nach Aufbau und Soundcheck kommen wir in den Genuss wirklich tollen Essens. Ich esse einen Salat und einen Burger mit Curry und Mango-Chutney. Bei Lennart gibt’s einen Halumi-Burger. Der Laden ist für mich auch der perfekte Ort, mal wieder komplett nüchtern zu bleiben. Ich trinke Ginger Ale und Minztee.
Um kurz vor neun beginnen wir das erste von drei Sets. Das Konzert soll nämlich bis Mitternacht dauern. Wir beschließen, erstmal zwei Sets zu spielen und mal abzuwarten, ob wir dann noch weiter spielen sollten.
Es ist halt mal wieder ein Eintritt-frei-Konzert und wir können nicht einschätzen, wer heute wegen der Musik kommt. Als wir beginnen zu spielen, ist sowohl der Nichtraucherbereich, als auch der Raucherraum, in dem wir spielen, gut gefüllt. Wir stellen uns den Gästen vor und beginnen mit „Dieses Lied“. Dabei trennt sich schon mal die erste Spreu vom Weizen. Zwei Pärchen schauen und hören uns konzentriert zu. Den Rest müssen wir wohl noch versuchen, vom Plaudern abzulenken. Und das gelingt uns verhältnismäßig gut. Fast jeder im Raum schaut immer mal her, lacht, schunkelt oder was auch immer. Einige weitere bleiben auch wirklich kleben und sind eigentlich die ganze Zeit voll dabei. Einige wenige CDs werden auch verkauft und wir können ganz zufrieden sein. Darum spielen wir auch noch das dritte Set. Nach 30 Songs und in meinem Fall 1,25 Liter Wasser später ist das Konzert vorbei. Der Blick auf die Uhr sagt: 23:53 Uhr. Kurz vor Mitternacht. Perfektes Timing unsererseits.
Nach dem Abbau bringen wir unsere Sachen gleich in den Wagen und begeben uns auf die Sitzbank im Nichtraucherbereich. Ich esse Twix und trinke noch einen Bananenmilchshake, fülle die GEMA-Liste aus und nach ein wenig Plauderei mit Ronny geht’s dann auch ab ins Bett. Zwar dröhnt die Musik der benachbarten Disko mir in den Ohren, aber lange wird’s wohl nicht mehr gehen. Es ist immerhin schon halb drei, außerdem übertönen die tollen Songs von Emiliana Torríni aus meinem mp3-Player die Musik.