05/15/10

Campingplatz Hindenburgbrücke | Bingen-Kempten

Bericht von Philipp

Ich erwache und ein Blick auf die Uhr bringt die ernüchternde Erkenntnis: Wir haben verschlafen. Da wir heute in Bingen spielen und dafür insgesamt 600 km fahren müssen, haben wir uns ein Auto gemietet, da das immer noch billiger ist, als mit unserem Bus zu fahren. Wir hätten das Auto aber bis 11:30 Uhr abholen müssen. Jetzt ist es bereits nach zwölf. So ein Scheiß! Ich bin eigentlich jemand, der nie verpennt, es war aber definitiv zu wenig Schlaf und zu viel Grappa im Spiel und als Lennarts Wecker um 10 Uhr klingelte habe ich das zwar gehört und auch nach Lennart gerufen, bis er den Wecker ausschaltete, aber dass das vielleicht einen Grund hat, dass da ein Wecker klingelt, habe in dem Moment einfach nicht verstanden.
Immerhin können wir den Wagen für einen Aufpreis von 20 Euro bis 14 Uhr beim Notdienst abholen. Lohnt sich immer noch. Wir Laden alle Sachen, die wir heute brauchen in den Fiat Punto und fahren zu Dana, wo wir noch schnell eine Dusche schnorren. Nach drei Tagen war das auch mal wieder nötig (Schonungslose Offenheit im Tourbericht: Mein persönlicher Rekord liegt bei fünf Tagen ohne Dusche).
Jetzt aber auf nach Bingen am Rhein. Dort spielen wir heute im Camp der Piratenpartei. Ich bin zwar grundsätzlich vorsichtig, wenn es darum geht, für politische Parteien zu agieren, da wir die Leute, die uns eingeladen haben, aber bei einem Konzert in Braunschweig kennen gelernt haben, sagten wir zu. Auslöser war unser Song „Vom Suffix-innen“, der so fabelhaft zur Gender-Debatte der Piraten passt. Abgesehen davon ist die Piratenpartei noch jung und noch dabei, überhaupt ein eigenes politisches Profil zu formen. Daher ist es aus unserer Sicht zu früh, eine konkrete Haltung ihr gegenüber zu haben.
Die Piraten haben hier gerade ihren Bundesparteitag und da alle Hotels in der Umgebung bereits von ihnen gefüllt wurden, müssten sie zusätzlich ein Camp aufschlagen, wo wir heute Abend Musik machen sollen.
Wie nicht anders zu erwarten, sind hier alle total technisiert. Der Parteitag wird per Stream im Internet ins Camp übertragen und alle sind mit ihren iPhones zu Gange und twittern und tweeten was das Zeug hält.
Der Parteitag, bei dem der Bundesvorsitzende gewählt werden soll und sich Kandidaten vorstellen, verläuft relativ chaotisch und gehaltlos, so weit ich das mitbekomme und beurteilen kann. Wie gesagt, die Partei muss sich gerade noch einigen, für was sie, neben der Freiheit im Internet, eigentlich stehen will. Ich lerne Wörter wie „Fail“, die heute oft gebraucht werden. Man merkt, dass hier viele Computer-Nerds mit von der Partei, äh, Partie sind. Dementsprechend fällt halt die Sprache aus.
Ab 22 Uhr fangen wir zu spielen an und können die Leute schnell für uns gewinnen. Es gibt viel witzige und spontane Interaktion, viel Reaktion und es herrscht eine wirklich zauberhafte Stimmung. Das läuft mal wieder richtig Rund. Ein echt sympathischer Haufen, für den wir gerne wieder spielen, so lange sie für uns nicht in die falsche politische Richtung gehen.
Gegen halb zwei machen wir uns auf den Rückweg nach Göttingen, wo unser Wohnmobil steht. Wir wollen lieber später ins Bett als früher raus. Morgen müssen wir nämlich schon um 13 Uhr in Rainers Kneipe in Sarstedt sein.