06/11/10

Café Chaos | Fulda | Hochschultage

Bericht von Philipp

Uni-Kultur-Marathon die Dritte: Heute geht es zu den Hochschultagen nach Fulda. Wir spielten hier bereits im letzten Jahr im Café Chaos und wurden gebeten, doch bitte wieder zu kommen. And here we are: Und zwar viel zu früh, was uns aber ermöglicht, erstmal entspannt was zu essen (lecker indisch) und die Stimmung auf dem Campus der FH aufzusaugen.

Heute ist ja WM-Auftakt, doch nachdem die Übertragung via ARD-Stream im Hörsaal aufgrund von zu langsamer Internetverbindung nicht funzt, verliere ich mein ohnehin nicht so großes Interesse daran und gehe zurück ins Café Chaos. Ich lege mich auf eines der Sofas, denn irgendwie haben mich Reise und Hitze schon wieder träge gemacht. Ich blättere etwas in der Fuldaer und lese einen Konzertbericht über die alten Herren Wecker und Wader und über einen Hartz-VI-Empfänger, der einer Minderjährigen zwei Joints anbot und darum betraft wird.

Plötzlich beginnt eine Lesung und ich denke mir: „Bleib ich doch einfach liegen.“  Eine junge Frau liest aus ihrem Buch vor und berichtet damit aus ihrem Leben als Aktivistin gegen Gentechnik, Atomkraft und ähnliches. Auf sehr humorvolle Weise schildert sie, wie man sich auf kreative Art auch im Kleinen gegen das wehren kann, was einen stört.

Kurz darauf gibt es gleich die nächste Lesung: Thomas Gsella, ehemaliger Chefredakteur des Satire-Magazins „Titanic“ liest aus seinen Werken vor. Ich wusste gar nicht, dass wir uns in Gesellschaft so hochkarätiger Leute befinden.  Sehr anregender Vortag und ich kaufe auch sofort ein Buch für meinen Vater, das ich ihm signieren lasse. Schließlich hat mein alter Herr immer gern „Titanic“ gelesen und freut sich sicherlich darüber.

Nächste Lesung: Poetry-Slammer Sebastian23 und Andy geben sich die Ehre. Andy ist betrunken, aber irgendwie genial, Sebastian ziemlich nüchtern und auch ziemlich genial. Gegen Ende fällt der Spannungsbogen zwar etwas ab, da Andy mehr betrunken und weniger genial wird, aber die beiden haben schon echt was drauf und ihre Texte sind eine gute Mischung aus nachdenklicher, provokanter und gut getexteter Alltagsbeobachtung.

Der Zeitplan ist mittlerweile um gut eine Stunde verschoben und die Luft immer noch nicht besser, geschweige denn, kühler geworden. Nach kurzem Umbau und Soundcheck entern wir die Bühne und versuchen, die Aufmerksamkeit der Leute zu gewinnen. Das gelingt uns zwar, doch Hitze, Schweiß und Kabelprobleme lassen uns zunächst nicht so gut reinkommen. Außerdem kommen und gehen immer wieder Leute, was zwar verständlich ist, da parallel auch andere Konzerte und Partys auf dem Unigelände stattfinden, trotzdem irritiert das etwas. Egal, wir machen einfach weiter und nach spätestens einer guten halben Stunde sind wir richtig drin und haben einige Leute für uns gewonnen. Wir rocken und schwitzen und trinken und schwitzen bis wir am Ende angelangt sind. Auch heute wieder Zugaben. Zum Marlboro-Song laden wir zum eigentlich nicht erlaubten Rauchen auf der Bühne ein. Spätestens durch Reinald Grebe haben wir erfahren, dass die Gesetzeslücke, dass auf Bühnen geraucht werden darf, da es ja zur Performance gehört und man lediglich spielt, dass man raucht, ausgenutzt werden kann.

Ziemlich unmittelbar nach dem Konzert lasse ich mir eine Dusche aufschließen, denn so will ich heute nicht zu Bett gehen. Frisch und im trockenen Shirt nehme ich noch einen Tequila-Sunrise zur Brust, werde dann aber müde und lasse mir unseren Schlafraum aufschließen. Trotz aller On-the Road-Routine gibt es immer wieder was Neues. Ich schlafe heute im muslimischen Gebetsraum, der eigentlich offiziell „Mehrzweckraum“ genannt wird, da das wohl für eine Uni sonst zu religiös wäre, oder so. Es handelt sich auch lediglich um einen kleinen Raum mit Teppich, den ich, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, mit Schuhen betrete, was ich aber nicht ohne Respekt der fremden Religion gegenüber tue. Innerlich entschuldige ich mich bei Allah, er möge einem Ungläubigen verzeihen und bin der festen Überzeugung, dass er selbst das sicher nicht so eng sieht. Gott ist meiner Überzeugung nach auch weitaus toleranter als die meisten seiner Anhänger. Gute Nacht!