10/27/10

Reuters | Schleswig

Bericht von Philipp

Wir liegen noch schlafend im Wohnmobil, als mich unser Liedermacherkollege Heinz Ratz von „Strom & Wasser“ anruft. Er wohnt in Kiel, hatte mitbekommen, dass wir gestern hier gespielt haben, konnte aber nicht kommen, da er seine Kinder bei sich hatte. Er fragt, wie lange wir noch in Kiel seien, da wir aber schon bald wieder weiter müssen, bleibt heute leider keine Zeit für nen Kaffee. Da Heinz aber gerade sowieso in der Stadt rumflitzt, um Sachen für seine kommende politische Fahrradtour, dem dritten Teil seines moralischen Triathlons (mehr Infos unter www.strom-wasser.de), zu erledigen, kommt er einfach mal bei uns vorbei und liefert uns die gerade erschienene neue Strom-und-Wasser-CD direkt nach Hause. Leider muss er gleich wieder weiter, da er blöd parkt, außerdem werden wir ja gerade erst wach. Das führen wir dann aber direkt fort, indem wir die CD auflegen und frühstücken.

Auf dem Weg nach Schleswig machen wir an einem Stellplatz halt, um Strom zu bekommen und Büroarbeit zu erledigen, die viel zu lange liegen geblieben ist.
Mit dem guten Gefühl, etwas geschafft zu haben, fahren wir weiter nach Schleswig, wo das „Reuters“ darauf wartet, von uns bespielt zu werden. Die Kneipe gehört zu einem Musikgeschäft, darum hängen überall Gitarren herum. Wenn wir also heute technische Probleme bekommen, sollte für Ersatz gesorgt sein.

Heute haben wir ein Vorprogramm, Lara heißt sie, ist 15 Jahre alt, wird von ihrem Vater auf der Gitarre begleitet und covert vier Songs von Janis Joplin. Es ist schon beeindruckend, dass ein so junges Mädchen bereits eine solch gewaltige Stimme entwickelt hat. Vielleicht würden das hart gesottene Janis-Joplin-Fans anders sehen, aber an Intensität lässt Lara da nichts vermissen.

Wieder einmal treffen wir heute einige Bekannte. Zum einen ist Thilo aus Kiel hier, der gestern nicht kommen konnte, aber ohnehin mittlerweile Lehrer in Schleswig ist (witzigerweise ist Lara eine Schülerin von ihm, Schleswig ist klein...) und zum anderen kommen Bodo (der selbsternannte Szeneliedermacher) und Philip, der uns ja auch schon so oft auf Konzerten besucht hat.

Wir beginnen unser Programm und scherzen noch, dass wir schon öfters ein Vorprogramm hatten, aber noch keines, das nur halb so alt war wie wir. Wir kommen gut in das Konzert rein. Zunächst sind die Reaktionen noch etwas zurückhaltend, mit der Zeit wird es aber richtig voll hier, was an einem Mittwochabend in Schleswig sicher keine Selbstverständlichkeit ist, und die Stimmung ausgelassener. Für mich persönlich ist das heute das beste Konzert in diesem Monat. Wir witzeln, ich erzähle, dass ich mir im Moment auf Tour immer eine Wärmflasche ins Bett nehme und eine gestreifte Pyjamahose aus Flanell trage. Die Intimität eines Konzertes!

Nach drei Zugaben bittet uns Chef Markus, das Konzert zu beenden, was natürlich alle schade finden, aber unter der Woche nach 22 Uhr ist das immer so eine Sache mit den Anwohnern. Außerdem muss Markus ja morgen früh schon wieder Gitarren, Songbooks und Plektren mit  heißen Frauen drauf (Chicks on Picks) verkaufen. Philip, Bodo und ein paar andere schlagen vor, noch auf den Spielplatz zu gehen. An sich eine tolle Idee, so wie früher, als der Spielplatz der einzige Ort war, an dem man als Jugendlicher ungestört rauchen und anderen Unfug machen konnte. Ich bin da heute aber nicht mit von der Partie, da ich meine inneren Akkus mal wieder aufladen muss. Ich verspeise noch die aus dem „Reuters“ mitgenommenen Backwaren (ein Muffin und ein Donut), trinke brav eine Milch und lege mich mit Wärmflasche und Flanellhose ins Bett und höre die gerade erschienene Drei-Fragezeichen-Folge Nummer 141 mit dem Titel „Die Fussball-Falle“, schlafe aber schnell ein und werde nur kurz nochmal wach, als Lennart um ein Uhr nachts vom Spielplatz wiederkommt.