09/20/13

Quenzelei | Eisleben

(Bericht von Lennart)

 

Freitagmittag. Ich verlasse meinen Arbeitsplatz um 13 Uhr. Um 14 Uhr soll ich Philipp schon am Bahnhof abholen, denn nach Eisleben ist es durchaus weit. Zudem ist Freitagnachmittags ja durchaus auch mit weniger guten Verkehrsverhältnissen zu rechnen. Zuhause sammel ich schnell alles ein, was ich für einen Auftritt und eine Übernachtung benötige und schmeiß den Kram ins Auto. Zur Tanke (Mittagessen besorgen, Wagen volltanken) und ab zum Bahnhof. Ich komme zwei Minuten vor Philipp an, lege noch das wunderschöne Album "Time Out" von Dave Brubeck auf und warte dann nicht all zu lange.

Wir begrüßen uns herzlich, denn wir haben uns mal wieder ein paar Wochen nicht gesehen. So ein Spagat zwischen Beruf und Liedermacherdasein ist gar nicht mal so einfach. Um so mehr Respekt habe ich vor Lambada Börnski (Monsters of Liedermaching), der es seit Jahren auf die Reihe bekommt.

Die Autofahrt verläuft erwartungsgemäß stockend. Bis Hannover brauchen wir schon fast zwei Stunden. Danach wird es besser, auch weil wir die Autobahn verlassen und über den Harz auf den Bundesstraßen nach Eisleben fahren. Das bringt uns zwar den ein oder anderen Trecker vor die Nase, aber immer noch besser als dauernd im Stau zu stehen.

In Eisleben kommen wir gegen halb sieben an, was dann doch nur eine halbe Stunde später als geplant ist. Schnell aufbauen, Sound checken, usw. Wie immer halt.

Wo sind wir gelandet? Es ist wunderschön hier. Die Quenzelei in Eisleben ist die ehemalige Brauerei der Familie Quenzel, die auf dem Gelände mit all ihren Gebäuden mit drei Generationen lebt. Philipp Quenzel, mittlere Generation, hat es uns ermöglicht, hier ein Konzert im privaten Rahmen zu spielen. Freunde und Bekannte werden eingeladen. Es ist sozusagen ein Hauskonzert in uralter gesellschaftlicher Tradition. Der Ort kommt zusammen, zum Teil kennt man sich, zum Teil lernt man sich an diesem Abend kennen. Die Menschen vor Ort kommen zusammen, viele bringen etwas für das Büfett mit, Philipp hat Getränke besorgt und gibt diese zum Selbstkostenpreis weiter. Auf diese Art und Weise organisiert sich die Kultur in einer Kleinstadt, die durch die übliche Postwendestadtflucht ein Drittel ihrer Einwohner verloren hat. Es stimmt einfach alles. Das Ambiente ist schön, familiär, man fühlt sich bestens aufgehoben. Und noch etwas ist bemerkenswert. Jeder der ankommt, uns erblickt und feststellt, dass wir noch unbekannte Gesichter sind, begrüßt uns mit Handschlag und stellt sich vor. Wir werden sozusagen automatisch in die Kleinstadt assimiliert. Ich wünschte, in Achim wäre es so leicht, neue Bekanntschaften zu schließen. Aber dafür müsste Achim wohl auch erst mit der Abwanderung zu kämpfen haben...

Unser Konzert läuft verblüffend gut dafür, dass wir vorher keine Probe mehr hatten und der letzte Auftritt auch schon wieder vier Monate her ist. Insgesamt läuft es dann ja doch immer irgendwie. Und kleinere Hänger und Schnitzer werden uns hier selbstverständlich wohlwollend verziehen. Das Publikum mag uns und wir mögen das Publikum. Eine schöne Zuhöratmosphäre entsteht, in der wir auch für ernsthafte Balladen beklatscht werden. Danke!

Der Abend wird, wie könnte es auch anders sein, noch ein bisschen länger. Macht aber nichts, ist ja schließlich Freitagabend.